EMPOWERMENT OF MALE EMOTIONS

 

“Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal geweint habe“, sagte mir einmal ein Freund, als ich wissen wollte, wie oft er trauert. Zunächst keine überraschende Antwort. Auch die Male, an denen mein Vater in Tränen ausbrach, kann ich wohl an einer Hand abzählen.

Das Bild eines starken Mannes, der seine Emotionen in jeder Situation unter Kontrolle hat – dieses Bild herrscht in vielen Köpfen und wird von der Gesellschaft weiterhin geprägt (Wittenzellner, Institut für Bildung und Forschung e.V.). Das Stereotyp eines Mannes, der nicht weint und seine Gefühle eher verhalten zeigt, ist äußerst problematisch. Denn eine verletzbare Seite nach außen zu tragen, ist nicht schwach oder fehlerhaft – es ist normal. Und das für jede*n.

Denn was passiert, wenn gerade Männer ihre Emotionen zurückhalten und Angst davor haben, sie nach außen zu zeigen? Sie fressen sich nach innen, stauen sich an. Doch damit ist Schluss. 

Auf dem “Männergesundheitsportal” der “Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ (BZgA) wird über die Problematik hinter dem Vermeiden von Emotionen aufgeklärt. Der Auslöser für das Bild eines Mannes, der nicht weint, liegt wohl in einem veralteten Rollenbild und unserer Sozialisation. Frauen sind demnach Gefühlswesen und äußerst sensibel, während Männer nach dem Verstand handeln. Eine gefühlvolle Seite zu zeigen gilt in dieser Vorstellung als unmännlich. Selbst psychische Erkrankungen wie Depressionen können nicht mit diesem Bild des Mannes vereinbart werden, sie gelten als Schwäche.

Die “BZgA” zeigt außerdem, dass psychische Erkrankungen tatsächlich seltener bei Männern als bei Frauen festgestellt werden. Dies kann verschiedene Gründe haben. Zum einen besuchen Männer seltener eine Ärzt*innenpraxis oder nehmen Gesundheitsleistungen in Anspruch. Auch versuchen sie oftmals, selbst vor Ärzt*innen ihre psychischen Probleme zu verstecken und thematisieren nur ihre körperlichen Beschwerden. Doch auch Ärzt*innen selbst diagnostizieren häufiger physische Krankheiten bei Männern, anstatt nach einer psychischen Ursache zu suchen. Expert*innen vermuten, dass sich psychische Probleme bei Männern auch einfach anders äußern. Sie zeigen eher eine vermehrte Reizbarkeit, ein erhöhtes Risiko- und Suchtpotenzial sowie sexuelle Störungen und körperliche Beschwerden. Männer leiden beispielsweise häufiger an durch psychische Störungen ausgelösten Suchtkrankheiten als Frauen und müssen deshalb dreimal häufiger stationär im Krankenhaus behandelt werden. Die Vermutung dahinter: Männer versuchen ihre psychischen Probleme mit anderen Mittel zu lösen, als sich beispielsweise therapeutische Hilfe zu suchen.

Obwohl sie somit deutlich seltener eine Diagnose für ihr psychisches Leiden erhalten, zeigen aktuelle Todesursachenstatistiken des “Statistischen Bundesamts“, dass Männer trotzdem sehr durch psychische Krankheiten belastet sind. In 2020 starben insgesamt 9206 Menschen durch Suizid, davon gingen rund 75 Prozent der Selbsttötungen auf Männer zurück. Der Auslöser für den Großteil der Suizide: Psychische Erkrankungen wie Depressionen. Männer leiden also deutlich häufiger an psychischen Problemen als angenommen.

Deswegen ist es an der Zeit, etwas zu verändern. Wir wollen Männer ermutigen, zu ihren Gefühlen zu stehen und diese auch zu zeigen. Traurig sein ist okay, Weinen gehört dazu und Weinen ist wichtig. In der Psychologie werden dem Weinen hilfreiche Funktionen zugesprochen. Studien zeigen, dass das Weinen in sozialen Situationen dazu dient, unseren eigenen Gefühlszustand auszudrücken und in unseren Mitmenschen ein Gefühl der Hilfsbereitschaft auszulösen. Die Hilfsbereitschaft steigt sogar, wenn einer Person die Tränen kommen (Psychologisches Institut der Universität Zürich).

Auch für den Menschen allgemein ist das Weinen ein Mechanismus, um innere Anspannungen loszulassen. Zwar gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, dass Weinen dem Menschen hilft, jedoch kann man klar sagen: Weinen tut gut! Es verbindet, es befreit, es ist einfach normal. Deswegen sagen wir euch: Es ist okay Emotionen zu zeigen, also tut es auch. Weinen ist ein wahres Zeichen für Stärke.

Text von Julia Barkow